Sonntag, 28. April 2013

Plumes, Mainz, 26.04.13


Konzert: Plumes & Modern Days
Ort: Haus Mainusch in Mainz
Datum: 26. April 2013
Zuschauer: 30-40
Dauer: je etwa 45 min


Tonight is an island we can rest on.


Was für ein intensiver Tag, der mit dem Abend im Haus Mainusch und speziell  im Plumes-Konzert auf wundersame Weise zu sich kam. Eine sehr kurze Nacht, denn nach dem Abend in Mannheim war  ich erst in den frühen Morgenstunden zurück. Früh ins Büro, denn Vormittags stand aushandeln und eintüten von ersten Neuordnungsschritten nach einem materiellen und menschlichen Wirbelsturm in der Arbeitsgruppe auf dem Programm. Am Nachmittag zwei Abschiede am Flughafen mit gespanntem Herzen, inklusive kurzem Familientreffen. Dazwischen sehr konzentriertes Büro halten am Fernbahnhof.

Die mit dem Tod tanzt

Der eigentlich unerhebliche Sprung von dort nach Mainz dann mit fast allem was die Informationspolitik auf Bahnhöfen der DB so liebenswert macht. Info beim losgehen zum Fernbahnhof Zug fällt aus - ok. die S-Bahn tut es auch und der S-Bahnhof liegt sowieso näher. Anzeigetafel am S-Bahnhof sagt aber Ersatzzug fährt! Mit einem kleinen Sprint schaffe ich den noch. Japsende knapp rechtzeitige Ankunft am Fernbahnhof - dort die Info Zug etwa 20 min zu spät. Rückweg zum S-Bahnhof (inkl. längerer Fahrtzeit und S-Bahn-Zugtakt) zahlt sich nicht aus. Bei den 20 min bleibt es freilich nicht. Schließlich fährt ein anderer (planmäßiger) Zug ein und was aus unserem Zug wird, ist keine Ansage wert.  

Am Ende bin ich statt 15 min schlappe 50 min unterwegs nach Mainz. Dass ich darüber fast ruhig bleibe, rechne ich mir als coolness an. Aber, so richtig voller Elan bin ich dann doch nicht mehr und lass mir statt eiligem Fußweg durch die unbekannte Stadt im strömenden Regen dann doch lieber von einem Taxi helfen (Taxi fahren ist für mich normalerweise nur echten Katastrophen vorbehalten). Damit bin ich nur wenige Minuten später als geplant am Haus Mainusch. Nach den vagen Informationen im Vorfeld sollte jetzt eigentlich seit einigen Minuten die Vorband spielen....


Das Haus Mainusch ist ein selbstverwaltetes Gemeinschaftshaus. Sehr unabhängig und alternativ. Hier wird jede_r respektiert, sogar Raucher... Ich hatte es mir etwas größer vorgestellt - auf der Suche nach der Bühne und bekannten Gesichtern bin ich schnell durch und habe keines von beidem gefunden. Das ist schließlich der Moment, wo sich doch Verzweiflung flüsternd einschleicht. 

Aber ein Gesicht erkenne ich auf einmal doch ... die Plumes Sängerin Veronica Charnley herself ... und an ihrem Tisch gibt es auch noch einen Sitzplatz. Was soll's ehe ich groß überlegen kann, stelle mich als Freundin von Oliver Peel vor und sofort entspinnen sich die nettesten Gespräche. 


Am Tisch ist noch eine deutsche Freundin aus gemeinsamen Zeiten in Kanada, die für den Abend auf ein Wiedersehen und -hören gekommen ist. Es geht um Fremdsprachen lernen und verlernen, Tourdönekes, Mutmaßungen über den weiteren Verlauf des Abends. Dann kommt Geof Holbrook (Ehemann und heute verantwortlich an den Tasten) hinzu. Stille Freude als ich erzähle, dass ich das Vorprojekt Flotilla kenne und die CD One Hundred words for water sehr mag (klienicum sei Dank!). Dann gesellt sich ein weiterer Kanadier zu uns, den es zur Zeit nach Deutschland verschlagen hat. Michael Taylor arbeitet am Staatstheater in Mainz als Sänger. Was für ein Energiebündel!

Bevor die Vorband deutlich nach 22 Uhr beginnt, finde ich auch die Bühne in einer Art großer Garage hinter dem Haus. Dort aber leider Ernüchterung: Hier wird (obwohl der Raum als Nichtraucher-Zone ausgewiesen wird) ausgerechnet von der Band selbst geraucht. Erst fängt einer neben mir an,  dann sind im nächsten Moment alle dabei  - die 4-5 unter den 30 anwesenden in den fensterlosen Raum reichen, dass es sehr stört. Ich spreche sie an: ich würde gern über ihren Auftritt schreiben und sei dafür extra aus Karlsruhe gekommen und Rauchen stört mich sehr. Die Reaktion ist Achselzucken (Körpersprache: was bist du denn für eine?) ... und so spare ich mir das Konzert.



Statt dessen finde ich am Tisch im Haus den Plumes Drummer  Todd Harrop und wir haben ein interessantes Gespräch über ein harmonisches System an dem er gerade arbeitet und für das er nach einem guten Modell sucht, das über das geordnete aufschreiben von Zahlen hinausgeht. Wir haben Spaß, den Zusammenhang von Mathematik und Musik zusammen zu ergründen und die Faszination an dem Gedankenspiel zu teilen, das bei ihm zu komponierter Musik und Experimenten damit führen wird.

Schließlich wird es nach 23 Uhr ernst. Die Plumes-Musiker machen die letzten Handgriffe, um Mikros, Gitarre und Keyboard an den Verstärker zu bringen und ein improvisiertes Drumset zu sortieren.


Veronica begrüßt das Publikum sehr herzlich und mit den ersten melodischen Phrasen - noch ohne Unterstützung der zwei Herren - hat sie sozusagen im Handstreich das Publikum: Der erste Applaus ist euphorisch. Beim zweiten Song (das erste Stück des aktuellen Albums mit englischen und französischen Textteilen - sehr faszinierend!) ist die Bude wieder ordentlich voll. Er hat alles, was die Musik von Plumes so faszinierend und interessant für mich macht: die Stimme von Veronica, die anscheinend schwerelos über die komplexen Melodiephrasen und Rhythmen schwebt und doch ganz festgezurrt im hier und jetzt ist. Es folgen danach mehrere ruhigere Songs mit sehr dezenter Schlagzeugunterstützung. Vor Kalimba mountain song erzählt sie uns, dass es kein Spaß ist, im eiskalten Winter von Montreal eingemummelt Treppen zu steigen. So wird das slow motion im Text fast körperlich erfahrbar. Bei Messy love gibt es spontane Lacher über die Textstelle, dass sie sich lieber auf Kiefernnadeln betten würde.



Das letzte Lied Away from home geht schließlich wirklich direkt ins Ohr und ist zugleich Ohrwurm und unbedingte Mitwippnummer trotz der vertrackten Taktwechsel und ungeraden Taktlängen. Ein rechter Rausschmeißer eigentlich. 


Freilich lässt sich das begeisterte Publikum nicht ohne Zugabe wegschicken. Auch hier gibt es eine Geschichte zum Lied. Unversehens war Veronica in die Situation geraten, dass nur Armlängen entfernt ein Polizist jemanden mit Pistole am Kopf befahl, die Hände hoch zu nehmen. Bei ihr wird aus der emotionalen Erschütterung ein Liebeslied. Eine rechte Hymne, die mich beschwingt in die Nacht gehen lässt. Der Fußweg ins Hotel ist mir danach egal, obwohl es immer noch dolle regnet.



Muss dann auch gar nicht sein. Nach kurzem ersten Wegstück kommt eine Busstation in mein Blickfeld - voller Konzertbesucher, die ich um Rat fragen kann und schon 2min später fährt mich ein für die Uhrzeit ziemlich voller Bus bis fast vor mein Hotel. 

Ein Abend mit mir bis dahin fremden Menschen so voller Freundlichkeit und anregender Gespräche und Impulse. Und die Musik so zauberhaft und dabei doch auch so irdisch. Ein wahrhaft würdiges Finale für meine drei Musik-abenteuerlichen Tage. Und ins Staatstheater muss ich schnellstmöglich auch...

(Die Überschrift ist aus Away from home by Plumes)



Setlist Plumes:
(1) Behold it
(2) Your train of thought, through tunnels
(3) Phonebooth
(4) Kalimba mountain song
(5) Messy love
(6) Woodstock
(7) Figure it out
(8) Sweet Georgia blue
(9) Beached dolphin
(10) Comfort in future loves
(11) Away from home

(Z) The Holdup 




Setlist Modern Days:
(1) Modern days
(2) Your ghost
(3) Too well
(4) Navigator
(5) Rosemary
(6) Metropolitain
(7) House of Leaves
(8) Beat the devil
(9) Weatherman


Aus Archiven:
Plumes auf Bandcamp
Tourempfehlung von Oliver
Tourempfehlung vom klienicum
das klienicum im April 2012




 

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